Am Mittwoch, den 30. Mai 2001 war am Lac d`Annecy ein besonders heißer Tag, 35 Grad im Schatten. Gestern noch bei der Arbeit in Zürich und heute morgen machte ich schon mit meinen beiden Kindern Jonas und Lukas noch je einen Tandemflug vor und nach einsetzender Thermik mit anschließenden Punktlandungen.

 

Am nächsten Tag sollte sich das Wetter verschlechtern und so entschied ich mich am Abend noch für einen Soloflug mit meinem P 60. Um 18.00 Uhr startete ich am Col de la Forclaz; die Steuerkräfte erschienen mir gering, nachdem die zehn letzten Flüge Tandemflüge waren. Die Thermik war ruppig. Nach ca. einer halben Stunde vergeblichen Bemühens, eine größere Startüberhöhung herauszufliegen, entschied ich mich zum Landeplatz zu fliegen. Heute sollte es der vorher besichtigte zweite Landeplatz in der Nähe des Campingplatzes sein. Da alle Paraoten schon abgereist waren, um wieder zu arbeiten, wollte ich mein Auto am Startplatz stehen lassen und am nächsten Tag abholen. Ich genoß den ruhigen Flug über den See und spürte die Höhe reicht gut, um den Landeplatz in Doussard zu erreichen. Und dann über dem Flachland gab es leichte Thermik und mir Gelegenheit noch mit Genuß und entspannt eine halbe Stunde mit Nullschieber und 1m-Steigen über Doussard und Umgebung zu gleiten. Um 19.30 Uhr wollte ich landen, da meine Familie mit dem Essen auf mich wartete. Weil es so heiß war und ich ziemlich müde, wollte ich so nah wie möglich am Campingplatz landen und entschied mich kurzerhand für einen neuen Landepunkt. Im Endanflug merkte ich, daß ich zu hoch war, jedoch rechts eine Stromleitung und links ein Baum verhinderten eine Korrektur und ich flog in ca. 2m hohes Schilf, statt auf der Wiese davor zu landen. Es knackte links oben in der Schirmkappe, so als wäre ein Ast von einem Baum abgebrochen, doch hier war kein Baum zu sehen. Merkwürdig. Ich landete im Schilf stehend, die Schirmkappe fiel mir ins Gesicht, sie knisterte und bitzelte so komisch. Plötzlich gab es links von mir zehn gleichzeitig erfolgende Blitzeinschläge (in einer Linie im Abstand von 1 bis 2 Metern) in den Boden. Schlagartig wurde mir klar:

 

I c h s t e h e u n t e r S t r o m , n i c h t s w i e w e g h i e r ! ! ! ! ! ! !

 

Ich klicke meine Gurtschnellverschlüsse auf, hänge noch mit dem linken Bein am Vario....... noch einmal 10 gleichzeitig erfolgende Blitzeinschläge.......ich renne um mein Leben...... 100m durchs Schilf in 10 Sekunden.....komme oben am ehemaligen Bahndamm keuchend an......da stehen schon zwei Fußballspieler, die vom Sportplatz auf der anderen Seite des Dammes die hell leuchtenden Blitze gesehen haben..... in Doussard und auf dem Campingplatz fiel der Strom aus......ich gebe den Fußballern mein Handy, sie rufen die Polizei an.

 

„Oh, ist mir das peinlich, den Landepunkt verfehlt, durchs Schilf geflogen und den Gleitschirm zum Trocknen über eine Stromleitung mit 20.000 Volt gehängt. Oh je !!!!!!!! Auf der anderen Seite über-glücklich, ich bin dem Tod gerade noch mal von der Schippe gesprungen. Zwei Meter trennten mich vom „Gegrillt-werden“. - Wenige Minuten später kommt die Feuerwehr, der Notarztwagen und der Helikopter ist unterwegs, der wieder abbestellt wird, da ich nicht wie angenommen in der Leitung hänge. Mein linker Arm fühlt sich pelzig an und auf der linken Brust spüre ich einen Druck; von der Schirmkappe habe ich einen Stromschlag abbekommen. Zur EKG-Kontrolle werde ich für eine Nacht ins Krankenhaus nach Annecy mitgenommen. Jetzt muß ich noch meine Familie informieren, die ja beim Grillen sind und auf mich warten.....

 

Vierundzwanzig Stunden später verlasse ich unverletzt aber noch immer geschockt mit meiner Familie das Krankenhaus in Annecy.

 

Jürgen